COVID-19 von Budapest bis Bishkek

Osteuropa 3-4/2020

In der neuen Osteuropa-Ausgabe, die in Windeseile entstanden ist, beschäftigt sich das Berliner Redaktionskollektiv mit den Auswirkungen der Covid 19-Pandemie für ausgewählte Länder und politische Systeme Osteuropas. Darunter, nicht überraschend, auch mit der „Scheinabschaffung eines Scheinparlaments“ in Ungarn oder mit Putin, der sich gerade erst die „ewige Präsidentschaft“ gesichert hatte. Noch erfreulicher allerdings ist es, dass sich zwei Beiträge mit Regionen beschäftigen, die gemeinhin selten beleuchtet werden: mit Belarus und Zentralasien.

Gestärkte Zivilgesellschaft: Alyaksandr Lukashenka, der belarussische Langzeitautokrat, hat in internationalen Medien für Aufmerksamkeit gesorgt, weil er ausrief, dass Corona-Virus mit allzu volkstümlichen Mitteln heilen zu können: mit Saunagängen, Wodka oder Traktorfahren. Astrid Sahm analysiert, dass „die beharrliche Leugnung der besonderen Gefährlichkeit von COVID-19 sowie das fehlende Mitgefühl mit den ersten Opfern der Pandemie“ eine Entfremdung zwischen einem großen Teil der belarussischen Gesellschaft und Lukashenka befördere. Die Folge? „Damit droht Lukašenka den Kredit zu verspielen, den er sich auch in den Augen kritisch denkender Bevölkerungsgruppen erst in den letzten Jahren als Garant der belarussischen Eigenstaatlichkeit gegenüber Russland erworben hat.“ Sahm macht zudem darauf aufmerksam, dass die Zivilgesellschaft gestärkt aus der Krise hervorgehen könnte, da sie im Zuge der staatlichen Verweigerungshaltung selbst Hilfen oder Isolationsmaßnahmen organisieren musste.

Verheerende wirtschaftliche Folgen: als das Coronavirus sich von China auszubreiten begann und die Zahlen der Infektionen vor allem in Europa dramatisch stiegen, vermeldeten zentralasiatische Länder wie Turkmenistan und Tadschikistan angeblich „virusfrei“ zu sein. Kirgistan, Kasachstan und Usbekistan gaben an, nur eine geringe Zahl von Infizierten zu haben. Edda Schlager klopft der Wahrheitsgehalt der offiziellen Verlautbarungen ab und umreißt in ihrem Beitrag die möglichen Folgen für die autoritären System Zentralasiens. So folgert sie: „Die Gesundheitssysteme aller zentralasiatischen Staaten sind auf eine Pandemie nicht vorbereitet… Für alle Länder in Zentralasien wird die Coronakrise verheerende wirtschaftliche Folgen haben. Die ressourcenreichen Staaten kämpfen mit dem Einbruch der Ölpreise infolge der stark rückläufigen Nachfrage, fast alle Staaten mit dem Ausbleiben von Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten.“ 

Verpatzte KrönungBevor Russland von der Viruswelle heimgesucht wurde, war Putins Rochade, seine bisherigen Amtszeiten auf null zu setzen, um ihn weitere Präsidentschaften zu ermöglichen, formalrechtlich abgesegnet worden. Aufgrund der Pandemie wurde die für den 22. April vorgesehene Volksabstimmung zu den Verfasssungsänderungen allerdings abgesagt. Masha Lipman analysiert, dass die Covid19-Krise erhebliche politische Auswirkungen haben könnte. In ihrem Beitrag fragt sie. „Werden neue Machtzentren entstehen, und wenn ja, welche Mittel ist Putin bereit einzusetzen, um sich als Herr des Landes zu behaupten? Kann er auf seine frühere Position des alternativlosen Staatschefs und obersten Vermittlers zurückkehren, von der ihn das Virus verdrängt hat?“ Und sie resümiert: „Eins steht jedenfalls fest: Der Umbau der Verfassung und der Clou, Putins Amtszeiten auf null zu setzen, sind in den Hintergrund gerückt. Bereits heute gelten sie nicht mehr als Ereignisse von Gewicht.“ 

Published 8 May 2020
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